Hinweise zum gemeinsamen seelsorgerlichen Handeln unserer Kirchen in Deutschland
1. Die Situation als Herausforderung für unsere Kirchen
In den letzten Jahrzehnten ist unser Land zur Heimat von mehr als einer Million orthodoxer Christen
und Christinnen geworden. Orthodoxe und evangelische Gemeinden leben in Deutschland in Nachbarschaft.
Zu den Freuden dieses Zusammenlebens gehört die Entdeckung einer guten gemeinsamen christlichen Basis.
Sie zeigt sich im Bekenntnis zum dreieinigen Gott, in der einen Taufe, aber auch im Gebet und im
praktischen Dienst der Nächstenliebe.
Sie zeigt sich auch in der Tatsache, dass sich Männer und Frauen aus unseren Kirchen kennen lernen
und für den gemeinsamen Weg einer christlichen Ehe entscheiden.
In einer Welt, in der das nicht selbstverständlich ist, ermutigen unsere Kirchen, eine kirchliche
Trauung anzustreben und die christliche Orientierung der Ehe zu suchen.
Orthodoxe und evangelische Kirchen stehen noch nicht miteinander in voller Kirchengemeinschaft.
Auf vielerlei Weise sind sie jedoch miteinander verbunden. Sie bemühen sich, wo es möglich ist,
zu gemeinsamem Handeln zu kommen. Das gilt insbesondere für die Fragen im Zusammenhang mit Ehen
zwischen evangelischen und orthodoxen Christen und Christinnen.
Von beiden Kirchen wird heute in Deutschland die Konfessionsverschiedenheit der Partner nicht mehr
als grundsätzliches Hindernis für eine kirchliche Eheschließung gesehen.
Der Wille der Brautleute, mit einem Partner der anderen christlichen Kirche die Ehe einzugehen,
wird respektiert.
Auch bestehen unsere Kirchen nicht darauf, dass einer der Partner zur Kirche des anderen übertritt.
2. Orthodoxe und evangelische Eheschließung und das Verständnis der Ehe
Der
Traugottesdienst der orthodoxen Kirche besteht aus zwei Teilen, der "Verlobung" und der
eigentlichen Trauung bzw. "Krönung". Beide Teile werden in der Regel direkt nacheinander vollzogen.
Die Verlobungsfeier besteht aus Fürbitten, Ringwechsel und dem Segensgebet des Priesters.
Der Ablauf der Trauung umfasst Psalm 127 (128), Fürbitten, die Segensgebete des Priesters,
die Krönung, das Ineinanderlegen der Hände, die Lesung von Eph 5,20-33 und Joh 2,1-11, denen weitere
Fürbitten, Gebete und das Vaterunser folgen. Den Brautleuten wird der gesegnete gemeinsame Kelch
gereicht. (Dies ist kein Hl. Abendmahl.) Es folgt ein dreimaliges Umschreiten des in der Mitte
stehenden Tisches (als "Tanz des Jesaja" bezeichnet). Eine ausdrückliche Erfragung des Ehewillens
der Brautleute ist nur im slawischen Bereich der Orthodoxie bekannt.
Die
Ordnung in den evangelischen Kirchen folgt mit der Möglichkeit der Variation dem Ablauf Gebet
(Psalmgebet), Lesungen, Predigt, Schriftworte zur Ehe, Traufragen oder Trauerklärung, Ringwechsel,
Ineinanderlegen der Hände, dazu biblisches Wort Mt. 19,6, Vaterunser, Segnung und Fürbitten
(an denen sich auch Mitglieder der Traugemeinde beteiligen können). In diesem Gottesdienst werden
Lieder aus dem Evangelischen Gesangbuch gesungen. Oft erklingt auch festliche Kirchenmusik.
Mancherorts wird gegen Ende des Gottesdienstes auch eine Traubibel überreicht.
Gepflegt wird die Tradition, ein besonderes biblisches Wort als Trauspruch für die Eheleute
auszuwählen und auszulegen.
Diese offenkundig verschiedenen Akzentsetzungen der hier nur im Überblick beschriebenen
Traugottesdienste gehen auf eine lange geschichtliche und kulturelle Entwicklung zurück.
Sie zeigen auch Unterschiede im Verständnis der kirchlichen Trauung.
Die orthodoxe Kirche zählt die Krönung zu den Mysterien (Sakramenten). Deshalb ist nach ihrer
Auffassung die Trauung durch einen orthodoxen Priester das Gegebene.
Die evangelische Kirche sieht den besonderen Wert der kirchlichen Trauung im Bekenntnis zur Ehe als
Gottes Stiftung auf Lebensdauer, in der Verkündigung des Wortes Gottes und im Zuspruch des Segens.
Diesen wesentlichen Gehalt erblickt die evangelische Kirche auch in dem Traugottesdienst der
orthodoxen Kirche. Die orthodoxe Kirche würdigt die evangelische Trauung als ein geistliches
Spezifikum westlicher kirchlicher Tradition. Aufgrund dieser unterschiedlichen Gewichtung ist im
Augenblick eine gegenseitige Anerkennung der kirchlichen Trauung nicht möglich.
Angesichts der unterschiedlichen Ausprägungen dürfen allerdings die wichtigen und entscheidenden
gemeinsamen geistlichen Wurzeln nicht übersehen werden, die ein gemeinsames pastorales Handeln
begründen: Die christliche Ehe ist biblisch verankert. Die Gebete loben Gottes gute Schöpfung im
Blick auf die Ehe. Die Eheleute sind unauflöslich miteinander verbunden. Gottes reicher Segen wird
der Ehe zugesprochen. Zur Ehe gehört die Bereitschaft zur Elternschaft. Ehe und Familie sind
grundlegend auf das Leben in der Gemeinschaft der Kirche bezogen.
Diese geistliche Basis ermöglicht auch gemeinsames Handeln der orthodoxen und evangelischen Kirche
in Deutschland bei konfessionsverschiedenen Ehen.
3. Praktische Empfehlungen
Nach dem in Deutschland geltenden Recht muss der kirchlichen Trauung eine standesamtlich anerkannte
Eheschließung vorausgehen.
Zur Vorbereitung der kirchlichen Trauung sollten die Brautleute rechtzeitig mit beiden zuständigen
Pfarrämtern Kontakt aufnehmen und einen Termin für ein Traugespräch vereinbaren.
Zum Traugespräch gehört, die Bedeutung der christlichen Ehe gerade auch im Hinblick auf die
verschiedene kirchliche, gegebenenfalls nationale und familiäre Herkunft zu erörtern. Die mögliche
Form der Eheschließung muss besprochen werden. Anzusprechen ist auch die Frage der kirchlichen
Beheimatung der Kinder. Zu klären sind außerdem die kirchlichen Rahmenbedingungen (z. B. Trauzeugen,
Kirchenmusik, Termine, an denen eine kirchliche Trauung üblicherweise stattfinden kann).
Wenn möglich, sollte auch ein gemeinsames Traugespräch der Brautleute mit beiden Geistlichen
angeboten werden. Auf jeden Fall sollen beide Geistliche miteinander Kontakt aufnehmen, um die
notwendigen Verabredungen zu treffen.
Beide Kirchen stimmen in der Erfahrung überein, dass Ehen durch menschliche Schuld und menschliches
Versagen zerbrechen können. Sie kennen deshalb unter je eigenen seelsorgerlichen Bedingungen die
Möglichkeit der Wiederverheiratung Geschiedener. Eine rechtzeitige Beratung mit den zuständigen
Geistlichen ist hier notwendig.
4. Möglichkeiten der Verabredung
Eine gemeinsame kirchliche Trauung, fälschlicherweise oft "ökumenische Trauung" genannt, ist zwischen
evangelischen und orthodoxen Brautleuten derzeit nicht möglich. Das heißt auch, dass eine Vermischung
der Trauriten nicht sinnvoll ist. Deshalb sollen sich die Brautleute für eine Form der Eheschließung
entscheiden. Eine Trauung erst in der einen, dann in der anderen Kirche, eine sogenannte Doppeltrauung,
soll nicht in Betracht gezogen werden.
Wenn es aus pastoralen Gründen gewünscht wird und sinnvoll erscheint, ist ein gemeinsames kirchliches
Handeln möglich. Der Rahmen dafür wird in Form einer freien Übereinkunft zwischen den Pfarrämtern und
den Brautleuten verabredet.
Bei einer Entscheidung für die Form der orthodoxen Feier der Trauung kann der/die evangelische
Geistliche zu dieser Trauung eingeladen werden. Er/sie kann mit einem evangelischen Teil beginnen.
Die Trauung findet in der jeweiligen orthodoxen Kirche statt. Wo dieses nicht möglich ist, kann sie
gastweise in einer evangelischen Kirche durchgeführt werden.
Dieser evangelische Teil kann zum Beispiel folgende Form haben: trinitarischer Lobpreis, gemeinsame
Begrüßung, Gebet, Ansprache. Sofern in der jeweiligen orthodoxen Tradition eine Befragung der
Brautleute nicht vorgesehen ist, kann sie an dieser Stelle geschehen. Im anderen Fall kann hier ein
gemeinsames Traubekenntnis gesprochen werden. Außerdem kann ein geeignetes Lied aus dem Evangelischen
Gesangbuch gesungen werden.
Denkbar ist auch ein Gruß- und Segenswort des/der evangelischen Geistlichen im Anschluss an die
orthodoxe Feier.
Beide Geistliche sollen für die Verständlichkeit des Traugottesdienstes Sorge tragen. Dies kann zum
Beispiel durch die Bereitstellung von Texten, ggf. in die deutsche Sprache übersetzt, oder durch eine
erklärende Einführung geschehen.
Für den Fall, dass sich die Brautleute für eine evangelische Trauung entscheiden, kann hierzu
entsprechend der orthodoxe Pfarrer eingeladen und beteiligt werden, auch wenn er nicht
gottesdienstlich leitend als Priester tätig werden kann. Dies zeigt sich darin, dass er auf das
Tragen liturgischer Gewänder verzichten wird. Er sollte als Gast ausreichend zu Wort kommen,
beispielsweise bei der Begrüßung oder mit einem Gruß- und Segenswort.
Eine erfolgte Trauung wird für die Eheleute beurkundet und soll dem jeweils anderen Pfarramt
gemeldet werden.
5. Der gemeinsame Weg in der Ehe
Die Situation der gespaltenen Christenheit legt der konfessionsverschiedenen Ehe eine besondere
Last auf, bereichert sie aber auch, den Reichtum beider Traditionen in ihrer Gemeinschaft zu
erfahren.
Sich gegenseitig das kirchliche Brauchtum zu erklären, über den Glauben zu sprechen und das
gemeinsame Gebet zu pflegen, sind nur einige von vielen Möglichkeiten, den gemeinsamen Weg in der
Ehe mit geistlichem Leben zu füllen.
Insbesondere der gemeinsame Besuch von Gottesdiensten hilft, das jeweilige kirchliche Leben kennen
und besser verstehen zu lernen.
In der evangelischen Kirche sind getaufte Mitglieder anderer Kirchen zur Teilnahme am Hl. Abendmahl
eingeladen.
In der orthodoxen Kirche ist der Empfang der Hl. Eucharistie den orthodoxen Gläubigen vorbehalten.
Sie dürfen die Hl. Eucharistie auch nur in der eigenen Kirche empfangen. Evangelischen Christen, wie
allen Getauften, wird aber gesegnetes Brot, das sogenannte Antidoron, als Zeichen der Gemeinschaft
in der Liebe gereicht.
Auch die Möglichkeiten, an den Veranstaltungen und Angeboten des Gemeindelebens teilzunehmen, können
genutzt werden.
Wie bereits beim Traugespräch angesprochen, entscheiden die Eheleute, in welcher Kirche die Kinder
getauft werden sollen. Beide Kirchen bekennen sich in ihrer Tradition zur Kindertaufe. Unsere Kirchen
stellen gegenseitig die Gültigkeit der Taufe nicht in Frage. Die Taufe beheimatet aber ein Kind auch
in einer bestimmten Kirche und Gemeinde vor Ort. Daher müssen die Eheleute in gegenseitiger Achtung
vor der jeweiligen kirchlichen Tradition und in gemeinsamer Beratung eine Entscheidung finden.
Bei der religiösen Erziehung der Kinder können und sollen sich beide Partner mit Blick auf ihre
kirchlichen Traditionen beteiligen.
Unsere Kirchen begleiten den Weg der Eheleute und Familien mit dem Angebot ihrer Ehe- und
Familienberatung, den kirchlichen Kindergärten, dem Religionsunterricht an den Schulen und dem
kirchlichen Unterricht in den Gemeinden.
6. Der gemeinsame Weg unserer Kirchen
Ein umfassendes gemeinsames Verständnis der kirchlichen Trauung herzustellen, ist nicht Aufgabe dieser
Handreichung. Sie stellt aber einen weiteren Schritt auf dem Weg gemeinsamen seelsorgerlichen Handelns
unserer Kirchen dar. Diese Empfehlungen sollen in der Zukunft überprüft und verbessert werden. Deshalb
bitten wir alle Beteiligten, ihre Erfahrungen, Eindrücke und Meinungen den Herausgebern mitzuteilen:
Evangelische Kirche in Deutschland
Kirchenamt der EKD
Postfach 21 02 20
30402 Hannover
Geschäftsführung der
Kommission der Orthodoxen Kirche
in Deutschland (Verband der Diözesen)
Splintstr. 6
44139 Dortmund
von UProf. Dr. Grigorios Larentzakis, Institut für Ökumenische Theologie, Ostkirchliche Orthodoxie und Patrologie